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Rede zur Aussprache der Große Anfrage der SPD-Fraktion „Ganztagsschulen, Ganztagschulbetreuung und Rechtsanspruch auf ganztägige Förderung“

Der Live-Mitschnitt der Rede ist hier einsehbar.
 
 
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
 
erst einmal möchte ich der Ganztagsschule ganz herzlichen zum 20. Geburtstag gratulieren. Eigentlich zelebriert man Jubiläen ja mit Kuchen und feiert sie ordentlich, allerdings ist mir als „Gast“ dieser Feier die Laune auf den Magen geschlagen, blicke ich auf die Ausgangslage des Geburtstagskindes, der Ganztagsschule. 
 
Sie, die Landesregierung und besonders das Bildungsministerium, schaffen es hingegen, sich selbst über den Klee für ihre ach so tollen Ganztagsschulpläne und -vorhaben zu loben – ich muss schon sagen, ein nicht unbedingt schlechter Schachzug der Kollegen der SPD-Fraktion hier, die Fragen so zu stellen, dass das Land sich beweihräuchern kann und sie dies natürlich gerne aufgreifen. 
 
Sieht so eine ehrliche und gute Bildungspolitik aus? Nein!
 
Daher grenzt die heute angesetzte Aussprache der Großen Anfrage der SPD-Fraktion fast schon an ein wenig Zeitverschwendung, gerne gehe ich aber auf die Sachlage ein.
Klar muss aber sein: Über ein so wichtiges bildungspolitisches Thema muss ausführlich gesprochen werden und nicht en passant. Und eben mit der Zielrichtung, den Problemen der Ganztagsschule ernsthaft zu begegnen und Lösungen zu finden.
 
Sie fragten grob zusammengefasst nach den unterschiedlichen Ganztagsangebotsarten, wie sich die Schülerzahlen entwickelt haben, wie sich der Bedarf verändert hat, wie aus Sicht des Landes der Rechtsanspruch auf ganztägliche Förderung umgesetzt werden soll, wie die Kommunen und Träger diesbezüglich unterstützt werden und wie das Land die derzeitige Lage bewertet.
 
Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft die Landesregierung antwortet, dass es das erfolgreichste Ganztagsprogramm seit dem Jahr 2002 gibt und das Rheinland-Pfalz das erste Bundesland war, welches ein solches Landesprogramm aufgesetzt hat. 
 
Unbestritten ist, dass die Situation in den Familien, das Übereinbringen von Beruf und Familie, sodass das Kind gut betreut und ausgebildet ist, heute eine andere ist als vor 20 Jahren und die Anmeldungen an den Schulen, egal in welcher der drei Angebotsformen, steigt. Entsprechend verwunderte es nicht, dass die Zahl der Ganztagsschulen mit den variierenden Angeboten im Vergleich zur Gesamtzahl der Schulen in RLP gestiegen ist. Auch ist klar, dass der Bedarf regional sehr unterschiedlich ist und variiert. 
 
Aber seit Anbeginn des angeblichen „Erfolgsmodells Ganztagsschule“ hat sich nicht wirklich viel verändert – abgesehen von den Schüler- und Lehrerzahlen. 
Und mit letzterem bin ich genau bei dem Knackpunkt, auf den in den 27 Seiten Antworten (ohne Anlage) kein bisschen eingegangen wird: die Lehrkräftesituation.
 
Es ist allgemein bekannt, in dieser Woche noch beim SWR in den Nachrichten für alle hörbar zu vernehmen, dass in Rheinland-Pfalz ein massiver Lehrkräftemangel herrscht, auch im Bereich der Ganztagsschulen ist dies der Fall. Ein eklatanter Personalmangel ist das vorherrschende Problem!
Die chronische Unterpersonalisierung des Landes an den Schulen – egal auf welche Schulform bezogen – ist schlicht und einfach fahrlässig, führt zu Unmengen an Problemen und Unterrichtsausfall, geht zu Lasten unserer Kinder und wird für die anderen Lehrkräfte zur Belastung.  
 
Qualität? Fehlanzeige!
 
Eine chronische Unterpersonalisierung der Ganztagsschulen hat zur Folge, dass bei Personalmangel zunächst die Lehrkräfte am Nachmittag fehlen bzw. „abgezogen“ werden, um vormittags unterrichten zu können. Denn Mathe oder Deutsch nicht zu unterrichten, nur damit die Kinder nachmittags betreut/unterrichtet werden, geht gar nicht und das kann und sollte auch nicht der Anspruch des Landes sein. 
Es wird zwar in der Antwort der Landesregierung gesagt, - ich zitiere - „Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass insbesondere der Bedarf an pädagogischen Fachkräften und Grundschullehrkräften steigen wird“ (S.18), aber es werden keine Maßnahmen benannt, ebenso wenig wird auf die Bedeutung dieses Umstandes für die Ganztagsschule eingegangen!
 
Was passiert aber denn am Nachmittag mit den Kindern ohne Lehrer – sie werden entweder nach Hause geschickt oder Klassen oder AGs werden zusammengelegt. Beides bringt weitere Betreuungsprobleme mit sich, entweder für die Eltern oder für die Lehrkräfte, die nun doppelt so viele Kinder wie sonst zu beaufsichtigen haben. 
 
Wenn die „Nachmittagsbetreuung“ dann auch noch nicht mal von voll ausgebildeten Lehrkräften geleitet wird, führt eine größere Anzahl von Kinder mitunter zu noch mehr Stress. 
Attraktiv ist diese Situation dann auch mitnichten für die Honorarkräfte, zusätzlich zu deren kritisierenden Bezahlungssituation. Das Budget der Schulen hierfür reicht hinten und vorne nicht aus, also erhöhen Sie es endlich!
Bei einem chronischen Fachkräftemangel muss dringend die Gruppengröße am Nachmittag reduziert werden, also die Annahme von 18 Kindern pro Gruppe, um den Bedingungen der Realität gerecht zu werden. 
Auch muss die Größe der Klassen insgesamt überdacht werden, damit eine pädagogisch und organisatorisch sinnvolle Förderung überhaupt möglich ist. 
  
Zudem ist die Ausgangslage für die Umsetzung des Rechtsanspruches nicht so rosig, wie Sie sie beschreiben.
Ja, es stimmt zwar, dass jedes Kind heute das Ganztagsschulangebot nutzen könnte. Das ist gut und wichtig, denn Ganztagsschulen bieten vielfältige pädagogische Möglichkeiten, die Kinder zu fordern und zu fördern. 
Aber genau das, dass FORDERN und FÖRDERN gelingt nur, wenn wir die personelle und räumliche Ausstattung an den Ganztagsschulen haben, die diesem Anspruch auch gerecht werden. 
 
Hier wird in der Antwort gerne auf die Kommunen verwiesen, die beispielsweise aktuell auf die Verwaltungsvereinbarung zum Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter warten, um entsprechend zu planen. 
Ich kann Ihnen nur dringend empfehlen, gehen Sie in die Schulen, sprechen Sie mit den Lehrkräften, den Kolleginnen und Kollegen und seien Sie endlich bereit, sich die Augen bzgl. der Personalsituation unseres Landes öffnen zu lassen. 
 
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Schule ist teuer, Personal ist teuer, aber das ist und muss es uns wert sein. Schließlich legen wir dort die Grundlagen für unsere Kinder, damit sie ein eigenständiges und gutes Leben führen können. 
Sie, das Ministerium, loben sich für eine Investition von 1,6 Mrd. Euro für die Ganztagsschule – in einem Zeitraum von insgesamt 20 Jahren! Das sind 667.000 Euro pro Monat - für aktuell 939 Ganztagsschulen. Für jede einzelne Schule also eine läppische Summe von etwas mehr als 700 Euro. 
 
Die Not an unseren Schulen ist groß, also appelliere ich an die Landesregierung: Nehmen Sie endlich mehr Geld für Personal für die Schulen in die Hand. 
Und erhöhen sie nicht nur den Vertretungspool, sondern schaffen Sie neue Planstellen. 
 
Neben der Personalsituation sind die räumlichen Bedingungen das weitere große Problem der Ganztagsschulen, was auch nicht zu einer reibungslosen und vollständigen Umsetzung des Ganztagsangebotes beiträgt. 
Vor allem für das Mittagessen und für die nachmittäglichen Aktivitäten und Arbeitsgruppen fehlen die Räume oder die vorhandenen sind zu klein für die Gruppengrößen. 
 
Hier braucht es dringend eine Änderung der Schulbaurichtlinien, um den Ganztagschulen auch räumlich gesehen die Möglichkeiten für die vielfältigen Angebote zu ermöglichen. 
Auf die vom Bildungsministerium angekündigten Änderungen der Schulbaurichtlinien, die innerhalb dieser Legislaturperiode kommen sollen, sind wir als CDU-Fraktion sehr gespannt. 
 
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Ministerin Hubig,
Schule und das System Schule hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Ansprüche an Schulen und Lehrer, an das gesamte System, werden immer höher; gleichzeitig aber werden die Kinder, die Schüler, nicht unbedingt einfacher. 
All dies unter einen Hut zu bringen und vernünftig unterrichten zu können, um jedem Kind die bestmöglichen Chancen zu bieten, ist nicht einfach. 
 
Alle Beteiligten, Eltern wie Lehrkräfte, müssen wissen, was sie von einer Ganztagsschule erwarten können und was aber eben auch nicht geht bzw. geleistet werden kann. Ja, das Ganztagsangebot ist für viele Eltern oftmals die einzige Möglichkeit, selbst berufstätig zu sein und auch am Nachmittag arbeiten zu können. 
Aber Ganztagsschule ist nicht dafür da, einzig und allein die Betreuung zu sichern, dies ist nämlich nur eine zusätzliche Aufgabe, sondern Ganztagsschulen haben einen pädagogischen Auftrag, der mittels Unterricht durch qualifizierten Lehrkräften erteilt werden soll. 
 
Daher an dieser Stelle mein Dank an all meine Kolleginnen und Kollegen, die sich tagtäglich für die Bildung unserer Kinder einsetzen und engagieren. Ihr leistet unter schwierigsten Bedingungen großartiges und dies gehört einmal an entsprechender Stelle – nämlich hier im hohen Hause des Landtages – wertgeschätzt.
 
Liebe Kolleginnen und Kollegen, 
ich komme zum Schluss noch einmal auf die Große Anfrage zurück. Die Antworten des Ministeriums auf die Anfrage der SPD-Fraktion erscheinen mir eher als eine „Blätterteig-Antwort“, soll heißen: geht schön auf, liest sich gut, aber fällt bei näherer Betrachtung in sich zusammen.
 
Ob Ganztagsschule in Angebotsform, Ganztagsschule in verpflichtender Form oder Ganztagsschule in offener Form, all diese Angebote sind wichtig und brauchen entsprechende Rahmenbedingungen, um agieren, fördern, fordern und unterrichten zu können.
 
Daher bleibt auch mein Schlussappel: Wir brauchen Lehrer – ohne sie geht es nicht. 
 
Vielen Dank!

 

(Foto-Credentials: Videoaufzeichnung Landtag RLP)