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Pandemie wirft Westerwälder Arbeitsmarkt nur kurzfristig zurück

Arbeitgeber brauchen für ihre Betriebe unbedingt eine langfristige Personalbedarfsplanung

Wie sieht die Lage auf dem Arbeitsmarkt im Westerwald aus? Ist gar schon von Erholung nach der Pandemie zu sprechen? Finden Jugendliche überhaupt einen Ausbildungsplatz? Herrscht im Westerwald akuter Fachkräftemangel? Ist mit einer baldigen Beendigung der Kurzarbeit zu rechnen?

Fragen, die auch das Leben im Westerwald in seiner Lebensqualität erheblich beeinflussen und unter Umständen existenziell sind. Die Ängste und Nöte der Menschen liegen der CDU-Landtagsabgeordneten Jenny Groß sehr am Herzen, daher sucht sie jährlich den Austausch mit Elmar Wagner, dem Leiter der Agentur für Arbeit in Montabaur.

Auf den Punkt gebracht sieht die Lage am Arbeitsmarkt im Westerwald ähnlich wie vor der Pandemie aus, mit ein paar Änderungen. Die Zahl der Arbeitssuchenden hat sich erfreulicherweise zwischenzeitlich wieder nahezu dort eingependelt, wo sie sich auch vor der Corona-Lage befand. Das liegt unter anderem daran, dass der Westerwald in seiner Arbeitsstruktur von kleinen und mittelständischen Betrieben geprägt ist, die entsprechend den wechselnden Corona-Bedingungen sehr anpassungsfähigagieren konnten. Von einer Entspannung spricht Wagner allerdings nicht, denn die Zahl der Kurzarbeiter und der Betriebe, die diese angemeldet haben, sind noch immer auf hohem Niveau. Die letzten belastbaren Zahlen, die durch Meldefristen bedingt immer sehr spät erstellen werden können, resultieren aus dem Monat Mai, damals hatten 680 Betriebe Kurzarbeit angemeldet.

„Diese Situation,“ so erklärt Wagner, „ist nicht Corona alleinegeschuldet, sondern mehr und mehr den Auswirkungen.“ Für das restliche Jahr 2021 befürchtet ähnliche hohe Zahlen wie im Frühjahr, die vor allem mit der Materialknappheit und dem Fachkräftemangel zu tun haben. Das von der Pandemie zunächst erheblich getroffene Hotel- und Gaststättengewerbe habe sich in den letzten Wochen erholt und die reguläre Arbeits- und Betriebszeiten wieder aufgenommen, jetzt seien es vielerorts mittelständische Betriebe, die trotz voller Auftragsbücher, vor allem wegen fehlender Lieferketten und Materialknappheit , Kurzarbeit anmelden. Das Instrument der Kurzarbeit beurteilt Wagner als sehr gut, es habe und hat viele Betriebe vor einer Insolvenz bewahrt. Doch er erzählt er der Politikerin auch von schwarzen Schafen, die das System gezielt auszunutzen versuchen und bittet dringend darum, entsprechend rechtliche Grundlagen zu schaffen oder die vorhandenen zu verschärfen.

Den diversen Vorstößen einiger Arbeitgeberverbände, an verschiedenen Arbeitsplätzen eine Impfpflicht einzuführen, erteilt er jedoch eine Absage. Wagner versteht zwar den Ansatz, besonders im Pflegebereich, sehr gut und ist grundlegend gleicher Meinung. Allerdings sieht er eine erhebliche Gefahr darin, dass dringend benötigte Fachkräfte dann in andere Branchen wechseln. „Ein Dilemma“, findet auch Groß, “dass eigentlich nur über den Solidaritätssinn des Einzelnen gelöst werden wird.“

Die Gewinnung von Fachkräften ist jedoch ein Thema, dass Wagner ebenso wie seinen Kollegen regionalübergreifend großes Kopfzerbrechen bereitet. Immer wieder initiieren sie Aktionen, mit denen Fachkräfte geworben werden können. Doch Wagner ist sicher: „Nur allein mit diesen Maßnahmen werden wir den Fachkräftemangel nicht beheben können. Ohne Zuwanderung wird es nicht gehen.“ Für die Betriebe indes gestalten sich die Genehmigungsverfahren und die Behördengänge oft als sehr langwierig und kompliziert, er fordert von der Politik, durch klare und präzise Vorgaben eine mögliche Fachkraftgewinnung erheblich zu vereinfachen. In diesem Zusammenhang empfiehlt Wagner den Betrieben einen langfristigen Personalbedarfsplan zu erstellen, um daraus resultierend frühzeitig eventuelle Versorgungslücken durch beispielsweise Renteneintritt besser zu erkennen undschließen zu können.

Wesentlich besser sieht es hingegen auf dem Ausbildungsmarkt aus. Nachdem im letzten Jahr das Angebot der Ausbildungsstellen zurückgegangen war und in diesem Jahr noch einmal mehr, haben Werbeaktionen des Arbeitsamtes dazu geführt, dass sich Betriebe doch noch entschlossen haben, eine Ausbildung anzubieten. „Im Schnitt“, so Wagner, „gibt es trotzdem etwa 10 Prozent weniger Ausbildungsstellen als 2019.“ Erfreulich in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass sich das Verhältnis der Ausbildungsstellen zu den Bewerbern nahezu gleich verhält. Das habe eben auch mit dem demografischen Wandel zu tun, denn die Ausbildungsjahrgänge werden künftig schwächer. Daher kamen auf knapp 1900 Ausbildungsstellen 1862 Bewerber. Nur lediglich 90 junge Frauen und Männer haben keinen Ausbildungsplatz ihren Berufswünschen entsprechend gefunden. Der Bildungsexpertin und Pädagogin Groß fehlen im Ausbildungsbereich die derzeit noch nicht in Präsenz stattfindenden Berufsausbildungsmessen. „Sie setzen bei vielen Mädchen und Jungen Impulse, die den Berufseinstieg erleichtern. Das direkte Gespräch und das Anfassen und Ausprobieren von Werkzeug bringt enorm viel.“